MADE IN SWITZERLAND, Birgit Szepanski, 2009

Vielleicht beschäftigen Emanuel Geisser Berglandschaften aufgrund seiner Herkunft oder sie dienen ihm lediglich als metaphorisches Bildmaterial, als Indikatoren für sein Weltkonstrukt, das aus einer Menge von Variabeln besteht. Bergsteiger, Wanderer durch Eis und Schnee sind unerwarteten Unwettern ausgesetzt, durch die die optischen Grenzen bergiger Landschaftsräume sich verzerren, auflösen. Der Mensch, Forscher und Entdecker kann trotz Ausrüstung, Messgeräten, Polarstern sich in dieser Naturlandschaft verirren und bleibt auf der Suche, gegebenenfalls auch scheiternd. Ein Vermessen der Natur ist ein sinnloses Unterfangen, da die Berg-Landschaft durch Tektonik, Eruptionen, Wettereinflüsse ebenfalls ein in sich brechender, in sich instabiler Raum ist – das sind Parameter, die Emanuel Geisser in seinen Installationen, Videoprojektionen und Collagen einsetzt, um so eine „topologische Utopie“ – sein „in search of the miraculous“ (Bas Jan Ader, 1975) zu schaffen.

In der Installation North / HTRON (2009, in dem Berliner Projektraum Cluster gezeigt) zitiert Emanuel Geisser Originalfilmmaterial (das Panorama einer Bergkette) einer gescheiterten Besteigung des K2 durch italienische Bergsteiger, und setzt diesen Film in seiner präzis ausgeloteten Anordnung aus runden Spiegeln, und deren Licht- und Schattenreflexen ein. Die feinen Bewegungen von Schneeverwehung, Wolkenschatten, changierenden Grautönen im Film zeichnen ein surreales,  spannungsgeladenes Bild einer Berglandschaft, das trotz Stille, Anmut und Zeitlosigkeit im Bild- und Installationsraum gebrochen und aufgelöst wird: Der sich vor der Projektion drehende doppelseitige Spiegel wirft seinen Schatten als schwarze Kreisform in die projizierte Landschaft, während er einen runden Ausschnitt der Projektion über die Wände des Ausstellungsraums laufen lässt. Der Schatten und der kreisende Ausschnitt können sowohl Loch als auch Volumen sein und lösen das Bild der Landschaft auf, sie lassen Perspektiven,Topologien und die eigene Wahrnehmung als Masseinheit des Sehens kippen. Das schwarze Loch in der Landschaft stellt die geologische Massivität der Berge in Frage, und wirft gleichzeitig die (Frage) nach einem Dahinter, einem verborgenen Mysterium oder dem Durchgang zu einer anderen Ebene auf. Das im Ausstellungsraum rotierende runde Lichtfeld wandelt sich im Moment einer Reflexion des spiegelverkehrten Wortes HTRON in einer kurzen Erscheinung zu  dem Schriftzug NORTH. Auf einer fiktiven, imaginativen Ebene definiert Emanuel Geisser mit seinen Installationen eine Gleichung aus den Variablen Mensch (sondierend, suchend), Tier (seismographisches Wesen), Natur (fragil, beweglich), und entlässt sie, gemeinsam mit dem Betrachter, in die Schleife einer endlosen Suche.